Angekommen im fremden Land, kannten die meisten von ihnen aber weder die sie aufnehmenden Menschen noch verstanden sie die fremde Sprache. Trotz enormen Heimwehs, Angst und oft auch Verzweiflung war als Kontakt zu den Eltern bald nur noch ein wortbegrenzter Brief erlaubt, der einmal im Monat abgeschickt werden durfte. Als der Kontakt ganz abbrach, begann die bittere Angst um die Familie und um die eigene Zukunft. Manche jüdischen Kinder, die keine liebevolle Ersatzfamilie fanden, konnten nicht verstehen, warum ihre Eltern ihnen diese „Verschickung“ zu fremden Menschen angetan hatten und konnten ihnen – wie Gerry Hahlos‘ Tante Ursula – bis heute nicht verzeihen.
Bewegt hat uns die Tatsache, dass das Modegeschäft der Familie Hahlo hier in Oldenburg von 1841 bis 1912 als sehr erfolgreich und beliebt galt und sogar den Titel „Hoflieferant des Großherzogs“ trug. Zudem hatte sein Urgroßvater im Ersten Weltkrieg tapfer als Rekrut für sein Vaterland gekämpft und dafür sein Leben riskiert. Unvorstellbar, dass er erst für seine Heimat Deutschland um den hohen Preis schwerer Verwundung kämpfte und dafür ehrende Tapferkeitsauszeichnungen erhielt, mit dem Naziregime die Familie dann aber alles auf einen Schlag verlor: Schutz und Sicherheit, Ansehen und Wohlstand, schöne Familientraditionen, … schließlich die Familie. Der Grund für die erfahrene Verachtung war allein die jüdische Abstammung durch den Urgroßvater. Obwohl die Familie schon lange (1892) zum christlichen Glauben konvertiert war, galten sie als „Mischlinge“ bzw. „Halbjuden“. Durch die grausam vollzogene Rassenideologie und den Krieg verloren sich die Spuren der Familie Hahlo. Bis heute kennen sich einige überlebende Familienmitglieder nicht.
Gerry Hahlo hat uns angeregt - wie er - die eigene Familiengeschichte zu ergründen, die oft Spuren zur eigenen Identität aufweist. Und er erinnert und mahnt, wie schrecklich der Nationalsozialismus mit seinen zunehmend grausameren Strategien der Verleumdung, Diffamierung, Ausgrenzung, Rechtlosigkeit bis hin zur „Rassenvernichtung“ wirkte. Umso erschütternder ist es, dass Antisemitismus auch heute noch existiert. Ein großer Dank gilt Gerry Hahlo für seine Bereitschaft, uns seine tragische Familiengeschichte zu erzählen, die für nahezu 25.000 gleich leidende jüdische Kinder steht, die in der Zeit zwischen dem 1. Dezember 1938 bis zum 1. September 1939 auf offizielle „Kindertransporte“ gingen. Vielen Dank!
Ein Bericht von Mia, Merle, Stine und Annemarie (Klasse 10)
Wer möchte, kann die Familiengeschichte in Gerry Hahlos Buch nachlesen:
„The Boy on the Train: A Father and Son´s Kindertransport Story“.